Die Jahreslosung

Die Jahreslosung 2012

Jesus Christus spricht: "Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig."

2. Korinther 12,9 (L)

Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.

Stolz ruft der kleine Junge: "Selber!" – Er signalisiert damit seinen Eltern: "Ich brauche eure Hilfe nicht mehr. Ich fühle mich groß und stark und bin bereit, die Welt zu erobern!"
"Am schlimmsten ist es für mich, dass ich zunehmend auf fremde Hilfe angewiesen bin", klagt die ältere Dame, deren Kräfte nachlassen und deren Radius, in dem sie sich bewegt und lebt, immer kleiner wird.

Wer ist schon gerne schwach?

Das heißt doch immer auch, abhängig von anderen zu sein. Wie schwer fällt es, sich eigene Schwächen einzugestehen – geschweige denn, sie vor anderen zuzugeben!
Durch medienwirksame Militärparaden versuchen sich Machthaber Respekt zu verschaffen.
Vor einem Boxkampf lassen die Akteure ihre Muskeln spielen, um sich gegenseitig einzuschüchtern.
Am Arbeitsplatz ist es oberstes Gebot, verwundbare Stellen zu verbergen, sonst steht es schlecht um die Aufstiegschancen.
"Nur keine Schwäche zeigen, sonst bist du verloren", heißt es in Politik, Gesellschaft und Leistungssport.
Bis hinein in unsere Familien und Schulen.
Nicht ohne Grund leiden immer mehr Menschen, auch schon in jungen Jahren, am Burnout-Syndrom, dem körperlichen und seelischen Ausgebranntsein. Werden demnach Christen in unserer Gesellschaft als Menschen wahrgenommen, die den Anforderungen des Lebens nicht gewachsen und auf Hilfe "von oben" angewiesen sind? So wird mehr und mehr an Kreuzen in öffentlichen Gebäuden Anstoß genommen. Das Kreuz als Hinweis auf Jesu Leiden und Sterben, damit ein Symbol des Scheiterns, wird als unzumutbar empfunden.

Und wie gehen Christen mit Schwachheit um?

Ohne Frage kümmern wir uns auf vielfältige Weise um hilfsbedürftige Menschen. – Bieten unsere Gemeinden aber auch Raum für Schwächen?
Dass das nicht selbstverständlich ist, bekommt schon der Apostel Paulus zu spüren.
Aus den Gemeinden in Korinth weht ihm ein scharfer Wind entgegen. Einflussreiche Leute stellen seine Autorität als Apostel in Frage. Er sei offensichtlich auch nur ein schwacher Mensch. – Paulus kann und will seine Schwäche nicht verbergen. Über seine konkreten Einschränkungen können nur Vermutungen angestellt werden. Er leidet jedenfalls sehr darunter und erlebt es so, als würde Gott ihn mit einem Stachel durchbohren oder als dürfe ihn ein Engel des Satans mit Flügeln schlagen. Dreimal hat er seinen Herrn darum gebeten, ihm diese Schwachstelle zu nehmen.
Vergeblich.
So schreibt er an die Korinther: "Aber der Herr hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig."
Worunter er selber schon leidet, wird auch noch zur Angriffsfläche seiner Gegner. Wie unfair ist denn das?

Wo bestimmen Stärke und Perfektionismus auch unser Leben und Denken?

Im Vertrauen darauf, dass Gottes Gnade genügt, kann Paulus auch Defizite, Anfeindungen und mangelnde Anerkennung aushalten. Wörtlich übersetzt lautet Jesu Zusage: "Genug ist dir meine Gnade. Denn die Kraft wird in Schwachheit vollendet."
Das hebt unser gängiges Denk- und Verhaltensmuster komplett aus den Angeln. Eine ganz neue Sicht ist gefragt: Schwachheit ist kein Makel, sondern Voraussetzung dafür, dass Gottes Kraft zur Entfaltung kommen kann. Paulus bringt es auf den Punkt: "Wenn ich schwach bin, bin ich stark."
Letztlich hat er erkannt, dass Gottes Kraft gerade da offenbar wird, wo von uns Menschen nichts zu erwarten ist: in der Zerbrechlichkeit unseres Lebens.
In Jesus hat Gott sich dieser Zerbrechlichkeit ausgesetzt. Nirgends wird das deutlicher als an seinem scheinbaren Scheitern am Kreuz, das zum Sieg über die scheinbare Allmacht des Todes wurde. Das verachtete Kreuz wird zum Zeichen der grenzenlosen Macht Gottes.

Diese Spannung liegt auch in der Grafik der Künstlerin Stephanie Bahlinger.

Wohl strahlt sie eine gewisse Helligkeit, Freundlichkeit, fast Leichtigkeit aus.
In der Mitte, leicht nach links gerückt, eine Schale, die zu schweben scheint.
Eine durchscheinende Schale mit einem ganz deutlichen Riss. Etwas dringt hindurch – sieht aus wie fließendes Licht. Dadurch kommt Bewegung ins Bild. Ein kaputtes und leeres Gefäß wird von warmgelbem Licht umgeben und durchflossen.
Das Licht bleibt nicht im Gefäß gefangen, sondern dringt nach außen und verändert seine Umgebung.
Dunkles Blau wirft seinen Schatten auf die linke Rundung der Schale und umgibt auch ihre Bruchstelle. – Vor Gott darf ich leer und kaputt sein. Ich muss nicht länger meine Schwachstellen und Verletzungen verstecken, meine Defizite und meine Unvollkommenheit bekämpfen.
Wie das Kreuz in verschiedenen Rottönen die ganze Schale umfängt, ja eigentlich trägt und dem Licht entgegenhält, so darf ich meine zerbrechlichen Seiten von ihm umarmen lassen.
Das kraftvolle Gelb leuchtet gerade an der Bruchstelle intensiv auf – als hätte es reinigende Wirkung.
So erweist auch Gottes Geist seine schöpferische Kraft genau an den Stellen, wo ich schwach bin. Das genügt. Ich darf entspannen, weil Gott nun einmal eine Schwäche für Schwache hat.
Das Kreuz durchdringt das dunkle Blau der Nacht, es leuchtet zart wie das Abend- und Morgenrot und hält mein zerbrechliches Leben mit seinen Stärken und Schwächen dem vollkommenen Licht entgegen.

Motiv: Stefanie Bahlinger
Text: Renate Karnstein

Gerne stellen wir Ihnen unsere Jahreslosungsmotive für Ihre Kirchengemeinde zur Verfügung: Download Jahreslosungen

Keine passenden Artikel gefunden …

▲ nach oben ▲